Anton von Werner an N. Musketier in Hannover (Sa, 16.07.1910)
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Informationen
Personen
- Sender: Anton von Werner (Di, 09.05.1843 - Mo, 04.01.1915) - 67 Jahre, Villa VI in Potsdam
- Empfänger: N. Musketier in Hannover, Hannover
















Typ
Brief
Datum
Kategorie
Privat
Medium
Handschriftlich
Zusammenfassung
Anton von Werner rät dem Empfänger, seinen Beruf als Schlosser nicht aufzugeben, und betont, dass wahre Zufriedenheit durch Arbeit und Dienst an anderen kommt.
Abschrift
An den Musketier N. in Hannover.
Berlin, den 16. Juli 1910.
Aus Ihrem Brief vom 1. Juli d. I. ersehe ich, daß Sie sich in einer bedauerlichen Stimmung befinden und daß ich Ihnen einen Rat schreiben soll!
Sie wollen nicht "stumpfsinnig unter solch einem Menschenpack leben“. Wen Sie mit diesem Ausdruck meinen, geht aus Ihrem Brief nicht hervor. Aber ich bin selbst Handwerker gewesen, wie Sie, habe meine Lehrzeit in harter, strenger Arbeit durchgemacht und sie ist mir wertvoll und unschätzbar für das ganze Leben gewesen. Ich bin auch, wie Sie richtig bemerken, Menschenkenner, d. h. ich bin während eines langen Lebens mit Menschen aller Berufsarten, vom Kaiser bis zum Bettler, in persönliche Beziehungen getreten, aber ich bin nie auf den Gedanken gekommen, sie verächtlich als „Menschenpack“ zu behandeln oder zu betrachten. Ich habe immer meine Freude und meine Ruhe darin gefunden, innerhalb und außerhalb meines Berufes oder Faches für dies „Menschenpack“ tätig zu sein, ihm zu dienen und zu nützen, so viel ich konnte. Und dazu hat mir die Arbeit gedient! Sie sind Arbeiter wie ich, haben als Schlosser etwas gelernt, was an sich ein Kapital ist wie jedes Können — und das wollen Sie aufgeben, warum? Weil Sie keine Ruhe darin finden und weil Sie glauben, daß Sie das in künstlerischer Beschäftigung finden? Ob Sie künstlerische Begabung haben, ist aus Ihrem Brief nicht zu ersehen, natürlich; aber auch ob Sie in diesem Beruf Ruhe und Befriedigung finden würden, ist mir mehr als zweifelhaft, denn die Künstlerlaufbahn ist eine sehr unbequeme und dornenvolle, und die schlimmsten Enttäuschungen sind beim Künstler an der Tagesordnung. Also besinnen Sie sich recht sehr, ehe Sie Ihren Beruf wechseln, denn solche künstlerische Beschäftigung, die ich Ihnen nachweisen soll, und „wären es auch nur Laufjungendienste", kommen wohl in Romanen oder Novellen vor, aber nicht in der Wirklichkeit, und ich bin ganz außerstande, Ihnen etwas Derartiges nachzuweisen, es sei denn, Sie eigneten sich vermöge Ihres Körperbaues zum Modellsteher - ein unsicherer Beruf, für die jüngeren Jahre passend, für die älteren weniger oder gar nicht.
Wenn Sie in Ihrem Beruf stets daran denken, daß Sie dazu da find, andern Freude durch Ihre Arbeit zu bereiten und nicht voraus verlangen, daß alle andern dazu da sind, Ihnen Freude zu machen, so werden Sie auch Ruhe und Befriedigung finden. Ueber der Tür zu meinem Arbeitsraum steht die Inschrift:
"Wem das genüget, was er hat, Der ist allzeit reich und satt!"
und damit bin ich aus den kümmerlichsten Lebensverhältnissen bis heute froh und glücklich durchgekommen. Ich wünsche Ihnen dasselbe!
Ergebenst
A. v. W.
Vollständig
Vollständig
Zum Brief/Text
Anlage
14.03.2025
Letzte Änderung
14.03.2025