Anton von Werner an Joseph Victor von Scheffel (Mo, 02.01.1865)
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Informationen
Personen
- Sender: Anton von Werner (Di, 09.05.1843 - Mo, 04.01.1915) - 21 Jahre, Stephanienstraße 86 (Karlsruhe)
- Empfänger: Joseph Victor von Scheffel (Do, 16.02.1826 - Fr, 09.04.1886) - 38 Jahre














Typ
Brief
Datum
Kategorie
Privat
Medium
Handschriftlich
Zusammenfassung
Glückwünsche für das neue Jahr und Bericht über seine verkauften Werke und Ziele.
Abschrift
Karlsruhe, den 2. Januar 1865.
Mein sehr verehrter teurer Freund!
Soll ich gleich beim Eintritt ins neue Jahr zu schelten anfangen, wozu ich wohl Grund habe?! Nein, ich rufe Ihnen und Ihrer von mir hochgeschätzten Gemahlin meine herzlichsten Glückwünsche zum Jahre 1865 aus der Ferne zu; möge aus des Schicksals Urne Glück und Segen ohne Ende auf Ihr Haus herniederströmen, und möge Ihnen das neue Jahr auch einiges Gedächtnis schenken, Ihre alten aufrichtigen Freunde trotz Ihres jetzigen Wonnestandes nicht ganz zu vergessen. Ich habe im Jahre 1864 vier, schreibe vier lange Monate auf ein Lebenszeichen von Ihnen vergebens gewartet, jetzt reißt mir der Gedulds- faden, schreiben Sie mir, oder befürchten Sie das Aer - daß - eines Abends jemand zu Ihnen in Ihre Burg einrückt und sagt: „Das bin Ich!" und dieses Ich wäre eben ich und dann dürfen Sie sich gratulieren. Verhindern Sie zu meinem (Sie sehen, ich bin ein wenig egoistisch) und zu Ihrem eignen Besten diesen Zug!
Doch jetzt heraus aus holperigem Trab und zurück zu besonnenem Schritt. Ich war etwas unwohl zwischen Weihnachten und Neujahr, habe auch einige Tage im Bett liegen müssen, jetzt bin ich seit gestern wieder wohlauf und frisch an der Arbeit. Alles, was ich im vorigen Jahre gemalt, habe ich verkauft; die Waldlandschaft in Berlin, die Landschaft mit Kiefern, die ich im Sommer malte, nach Baden, die Mönche nach Mannheim (die Klosterlinde schon früher nach Braunschweig), Götz von Berlichingen hat der Großherzog gekauft und mit seinem Porträt nach Lessings Original bin ich auch noch im Jahre 1864 fertig geworden. Jetzt juckt's mich schrecklich in den Fingern, an einem recht großen Stück Leinwand meine Kunst zu proben', und ich tu's auch; vielleicht verbrenne ich mir die Finger dabei was tut's, ich bin noch jung und kann dann auf der andern Seite nachholen, was ich auf der einen verloren. Ihre Mama hat mir die Photographie nach dem Eccehardus geschickt; ich sage Ihnen, bester Doktor, meinen herzlichsten Dank; die Photographie ist auch gut gelungen.
Jezt bitte ich aber dringend, schreiben Sie mir doch etwas von Ihrem Leben in Ihrer Einsiedelei anders kann ich mir bis jetzt Ihren Wohnort nicht vorstellen —, ich lechze nach einigen Zeilen von Ihnen!
Ich bitte Sie, mich Ihrer Frau Gemahlin, der ich tausendmal die Hand küsse, bestens zu empfehlen!
Leben Sie wohl und gedenken Sie ein klein wenig
Ihres
Sie aufrichtig verehrenden
Anton v. Werner.
Adresse: Stephanienstraße 86. In Eile und bei Licht, deshalb bitte Stil und Schrift zu entschuldigen.
Vollständig
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Zum Brief/Text
Ereignisse
Anlage
08.03.2025
Letzte Änderung
09.03.2025