Anton von Werner an Joseph Victor von Scheffel (Do, 19.01.1865)
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Informationen
Personen
- Sender: Anton von Werner (Di, 09.05.1843 - Mo, 04.01.1915) - 21 Jahre, Karlsruhe
- Empfänger: Joseph Victor von Scheffel (Do, 16.02.1826 - Fr, 09.04.1886) - 38 Jahre












Typ
Brief
Datum
Kategorie
Privat
Medium
Handschriftlich
Seitenzahl
7
Schlagwort
Abendgesellschaft (Soirée)
Arnswald, Carl August Bernhard von
Besuch
- Cornberg, Otto Freiherr von
- Eggers, Friedrich
- Festblatt
- Feste und Feiern
- Frau Aventiure
Freytag, Gustav
Gude, Hans Fredrik
Jordan, Wilhelm (Schriftsteller)
- Karlsruhe
- Kostüm / Verkleidung
- Krankheit
- Malsen, Caroline Freiin von
- Matinée (Gesellschaft/Veranstaltung)
Nibelungensage
Rede / Vortrag / Monolog
Scheffel, Joseph Victor
Scheffel, Josephine
- Schrœdter, Adeline (1851-1928)
Schrœdter, Adolph
Schrœdter, Alwine
- Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
- Stetten, E. von
Viardot-García, Pauline
Werner, Anton Alexander von
Zusammenfassung
Anton von Werner schildert sein gesellschaftliches Leben in Karlsruhe und sein bevorstehendes großes Leinwandbild.
Abschrift
Karlsruhe, den 19. Januar 1865.
Mein verehrter Freund!
Meinen besten Dank zuvor für das freundliche Briefchen, das ich so schnell nicht erwartete; ich ersehe daraus, daß sich Ihre Teilnahme am Leben und Treiben Ihrer Freunde und Ihre freundschaftliche Zuneigung zu mir nicht vermindert hat.
Ihre Ernennung zum weimarischen Hofrat hat hier in den weitesten Kreisen freudige Teilnahme und Anerkennung gefunden; nehmen Sie auch meine herzlichsten Glückwünsche zu dieser wohlverdienten Anerkennung Ihrer Verdienste, die den Geber mehr ehrt, als sie Ihnen von Wert sein würde, käme sie eben nicht von ihm.
Den Ueberfall in Ihre Einsiedelei führe ich, so Gott will, aus, ob Ostern oder im Mai weiß ich nicht genau zu sagen. Aber ich bringe nicht nur Papier und Bleistift mit, sondern auch mein vollständiges Handwerkszeug, um die Studien zu Ihrem Porträt zu machen. Sie mögen nun sagen und tun, was sie wollen, aber davon kommen Sie nicht los - ich lasse mir dies herrliche Motiv für ein Porträtbild nicht rauben, Sie müssen auf die Leinwand, lebensgroß, versteht sich, nebst Ihrer Frau Gemahlin. Puhlmann hat so viel zu tun, daß er erst jetzt anfangen kann, sich ernstlich mit der Aventiure zu beschäftigen; ich bin im Begriff, die ersten sechs Zeichnungen noch einmal für ihn zu zeichnen, da die Platten der ersten Aufnahme bereits verdorben sind. Die Originale der letzten sechs Zeichnungen habe ich eben erst von ihm zurückbekommen und werde dieselben demnächst aufs Kupferstichkabinett schicken.
v. Arnswald hat einst an mich geschrieben, die Adresse wahrscheinlich aber so unleserlich, daß der Brief als unbestellbar zurückgegangen ist. Professor F. Eggers hat die Besprechung in Westermanns Illustrierten Monatsheften in der Tat gebracht; der Holzschnitt, den ich dazu gezeichnet habe, hatte so kleines Format, daß nicht viel damit zu machen war; außerdem ist er auch noch ver- schnitten worden. Westermann hat indes von einer Bezahlung, obgleich bis jetzt etwa acht Monate seit Ueberlieferung des Holzstockes verflossen, mir nichts hören lassen, mir nicht einmal geschrieben, ob er den Holzstock empfangen, was mich eigentlich doch ein wenig ärgert. Ich soll Ihnen schreiben, ob wieder einiges künstlerische Zusammenleben und Geselligkeit hier herrscht.
Doch, lieber Freund, und mehr denn sonst, und bedaure ich lebhaft, gerade Sie in unserm Kreise zu missen. Professor Gude macht ein sehr geselliges, liebenswürdiges Haus und entwickelt ungemein viel Anziehungskraft allen Kreisen und künstlerischen Richtungen gegenüber. Kurz vor Weihnachten gab er allen seinen Schülern ein Fest, in welchem wir einen kleinen improviserten Schwank aufführten, die ideale und reale Richtung der Kunst karikierend. Alle Montag oder Donnerstag versammelt Lessing einen Kreis von Künstlern um sich, jeden Sonntagnachmittag ist bei Schroedters offenes Haus für dieselben. Am Samstag, den 28. Januar, feiern wir alle zusammen einen Maskenscherz in der „Rose" - ich werde Ihnen das von mir dazu gezeichnete Programm später senden.
Am letzten Sonntag lernte ich bei Schroedters Gustav Freytag kennen, der zum Besuch bei Stadtrat Matthy hier war, und Dr. Wilhelm Jordan, der uns seitdem im Museum zwei Vorträge über und von seinem Nibelungenepos gehalten hat. Ich bin von letzterem in der Tat entzückt ich weiß nicht, ob Sie es schon kennen; ist dies der Fall, so bitte ich Sie, mir darüber zu schreiben. Im andern Falle schreibe ich Ihnen nächstens von dem Gange seiner Dichtung, die in altdeutschen Stabreimen verfaßt ist und ungemeine Schönheit des Klanges der Sprache beim Vortragen besitzt.
Sie möchten wissen, was für Gestalten auf das große Stück Leinwand gemalt werden sollen? Ernst, Tragik muß mitunter mit Scherz und Humor wechseln - der Humor dürfte sonst leicht in fade Oberflächlichkeit und Witzelei ausarten -, ich werfe mich deshalb diesmal der Tragik in die Arme und male: Die Verurteilung Konradins von Hohenstaufen. Die Farbenskizze dazu ist mir bereits gelungen, und ich gehe mit Heißhunger, sobald die Vorstudien beendet sind, an die Arbeit. Ich muß einmal etwas haben, an dem ich mich austoben kann. Professor Schroedter malt den Hans Sachs, Lessing geht mit nächstem an seine Disputation, nachdem er bis jezzt noch drei reizende Landschaften angelegt hat. Ich war die letzte Zeit ein wenig unwohl, jetzt geht es wieder. Gestern sprach ich Ihre Mama bei Herrn v. Cornberg, der eine größere Geſellschaft aus Anlaß der Anwesenheit der Klavierspielerin Frau Viardot-Louis gab. Ich konnte leider nicht, wie Sie wohl denken können, zu einem ruhigen Gespräch mit ihr kommen. So, jetzt habe ich Ihnen alles Erzählenswerte berichtet und sieben Seiten gebraucht, um alles niederzuschreiben.
Werden Sie mir nun auch etwas von dem schreiben, was Sie jetzt treiben und namentlich schaffen?
Frau Schroedter läßt sich Ihnen bestens empfehlen, sie harrt eines Sprüch- leins von Ihnen. Auch E. v. Stetten läßt Sie grüßen, wenn er nicht schon vor mir geschrieben hat.
Doch ich ſchließe; empfehlen Sie mich angelegentlichst Ihrer Gemahlin, bleiben und leben Sie heiter und glücklich, es umarmt Sie in - nein, das geht wohl jetzt mit dem Herrn Hofrat nicht mehr gut an -
Ihr
Anton v. Werner.
Vollständig
Vollständig
Zum Brief/Text
Ereignisse
Anlage
09.03.2025
Letzte Änderung
10.03.2025